Freitag, 13. Februar 2009

Schuldenbremse der Regierungskoalition: drastischer Sozialabbau und Verarmung als Folge?

Oberflächlich gesehen klingt es gut, wenn man die Höhe der neuen Staatsschulden begrenzen möchte. Doch in der Praxis wirkt eine Schuldenbremse in einem wirtschaftlichen Abschwung wie ein kräftiger Tritt aufs Gaspedal – die Fahrt in den Abgrund beschleunigt sich.

Arbeitslosigkeit wirksam vermeiden durch Schuldenbremse unmöglich
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten war es bisher – wenn auch durch die unsinnigen Maastricht-Kriterien schon eingeschränkt – möglich, durch eine Kreditaufnahme mit Hilfe des Staates die Wirtschaft anzukurbeln, indem das Geld für überfällige Reparatur- und Baumaßnahmen verwendet wird, indem in Bildung investiert wird oder indem die Unterschicht entlastet wird. Denn dadurch sinkt die Arbeitslosigkeit, was wiederum zur Folge hat, daß dem Staat die Steuereinnahmen nicht völlig wegbrechen. Denn in einem solchen Fall fehlen dem Staat in der Regel viel mehr Einnahmen, als ohne ein Konjunkturpaket.

Im Abschwung sparen läßt Schuldenberg erst recht steigen
Als Paradebeispiel bietet sich die Amtszeit von Ex-Finanzminister Hans Eichel an: er wollte im Wirtschaftsabschwung nicht investieren, sondern sparen. Dadurch brachen ihm die Steuereinnahmen derart weg, daß er im Endeffekt mehr Schulden aufnehmen mußte, als ein Konjunkturprogramm gekostet hätte. Dieser Sachverhalt wird in den Wirtschaftswissenschaften als „prozyklische“ Politik bezeichnet: man spart sich in den Abschwung hinein. Was bei einer einzelnen Person funktioniert, nämlich bei Knappheit zu sparen, ist für die Gesamtwirtschaft Gift. Diese keynesianische Erkenntnis ist nicht neu, paßt jedoch nicht in die neoliberalen Glaubensthesen. Neoliberale Finanzminister, egal welcher Partei, kennen leider seit 30 Jahren nicht mehr den Unterschied zwischen Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaft.

Regierung gestattet Schulden für Banken, nicht jedoch für Bürger und Zukunftsinvestitionen
Doch die geplante Schuldenbremse der Föderalismuskommission hat noch einen weiteren Haken: sie soll erst nach den Banken-Rettungsgeldern eingeführt werden. Das heißt, daß die korrupten Bankster noch kräftig davon profitieren werden, daß der Staat sich für sie massiv verschuldet. Wenn es dann an die Abzahlung der Staatskredite geht, soll eine Schuldenbremse bewirken, daß der normale Bürger bluten muß: selbst massive Staatskürzungen bei Bildung, bei Gesundheit, bei Sozialem, bei der Rente werden kaum reichen, um all das, was die Merkel-Regierung den Banken in den gierigen Schlund geworfen hat, auszugleichen. Der größte Sozialabbau seit Bestehen der Bundesrepublik wäre die Folge. „Noch einmal die Staatsfinanzen für die eigene Klientel ausnehmen und danach brutalst möglich bei den Sozialausgaben und der öffentlichen Daseinsvorsorge sparen - darauf läuft diese Schuldenbremse hinaus“, ist sich Hendrik Auhagen vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis sicher.

Investitionen zahlen sich aus
Dabei rechnen sich Investitionen eines clever angelegten Konjunkturprogramms oft: nimmt man einen Kredit mit 3 Prozent Zinsen auf, um Bildung zu fördern, erhält man intelligentere Absolventen, die später höher qualifizierte und besser bezahlte Berufe ausüben können – und dadurch höhere Steuern zahlen können. Den 3 Prozent Zinsen steht im Durchschnitt eine Rendite von 10 Prozent gegenüber. Der neoliberale Medien- und Politikmainstream ignoriert diesen Zusammenhang und bezeichnet trotz der früheren Erfolge von deutschen Konjunkturprogrammen ("Globalsteuerung") jedes Gegensteuern im Abschwung als "Strohfeuer".

Todesstoß für Binnennachfrage - Arbeitslosigkeit explodiert
Durch all diese Kürzungen hätten die Bürger weniger Geld, könnten weniger kaufen – was die ohnehin schwache Binnennachfrage in Deutschland weiter als bisher in den Abgrund reißen wird - und je stärker die Nachfrage sinkt, desto höher fällt die Arbeitslosigkeit aus. Selbst eine Rot-rot-grüne Regierung hätte dann keinen Spielraum mehr für eine sozialere Politik. Und darauf zielt diese Schuldenbremse in Wirklichkeit auch ab: politisch vorzusorgen, daß die Wut der Bevölkerung über die Vergeudung ihrer Steuergelder folgenlos bleibt.

Denkfehler Schulden: bei wem wird geliehen?
Ein weiterer Aspekt ist der weit verbreitete Denkfehler, daß mit Staatsschulden zukünftige Generationen über Gebühr belastet werden. Doch zukünftige Generationen erben nicht nur die Schulden, sondern auch die Guthaben, denn einem Schuldner steht auch immer derjenige gegenüber, der verleiht. Es ist also kein Verteilungsproblem zwischen der heutigen und der zukünftigen Generation, sondern ein Verteilungsproblem innerhalb einer Generation: zwischen den Armen und dem Mittelstand auf der einen Seite – und den Wohlhabenden, die über Bundesschatzbriefe oder Bankaktien der Bankhäuser verfügen, welche dem Staat das Geld verleihen. Groteskerweise muß der Staat von denen, denen er die Steuern im letzten Jahrzehnt massiv gesenkt hat, nun das Geld leihen, das ihm durch die Steuersenkungen fehlt. Statt diesen Fehler zuzugeben, fährt die Merkel-Regierung im neuen Konjunkturpaket mit Steuersenkungen für Reiche fort und setzt obendrein noch falsche Akzente, indem sie eine halbe Milliarde Euro der Bundeswehr zur Verfügung bestellt, damit diese weitere Rüstungsgüter einkaufen kann.

Alternativ-Vorschlag
Sinnvoller wäre es, die Neuaufnahme von Schulden nur in Zeiten des Aufschwungs zu verbieten, um die Handlungsfähigkeit des Staates bei einem Abschwung zu erhalten (antizyklische Wirtschaftspolitik). Darüberhinaus können die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, das Anheben des Spitzensteuersatzes, das Anheben der Erbschaftssteuer für große Vermögen und eine Börsentransaktionssteuer verhindern, daß überhaupt neue Schulden aufgenommen werden müssen. Doch dazu müßte das neoliberale Parteienkartell aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen endlich die Scheuklappen abwerfen, die dafür sorgen, daß Reiche geschont werden, während es für die meisten Bürger nur bergab geht.

Massiver Widerstand nötig - nur Reiche können sich schwachen Staat leisten
Es ist eine Schande für eine Partei, die sich als sozialdemokratisch bezeichnet, daß ihr Finanzminister einerseits den Banken Milliarden hinterherwirft und gleichzeitig den Staat für all die, die auf sein Funktionieren und seine Leistungen angewiesen sind, zu kastrieren. Wenn die SPD nicht weiter bei Wahlen abstürzen möchte, sollte sie im Parlament dagegen stimmen. Falls der rechte Parteiflügel sich hier durchsetzt, sollte zumindest der verbliebene linke Parteiflügel die Schuldenbremse durchfallen lassen. Ferner sind Demonstrationen und gegebenenfalls auch Massenstreiks notwendig, denn wenn die Schuldenbremse erst ihren Weg in das Grundgesetz gefunden hat, dann ist es völlig egal, wer regiert - es wird nur noch sozial bergab gehen.

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