Montag, 16. August 2010

Nachhilfe in Demokratie und Wirtschaft für Merkel: wer wirklich den Gürtel enger schnallen muß



Die Bundesregierung wird wohl leider weiterhin lieber dem neoliberalen Dogma vertrauen, egal, wie oft es noch an der Realität scheitert. Die politische Kaste ruiniert für Zusatzprofite der Oberschicht die gesamte Volkswirtschaft, stranguliert die Nachfrage und damit den Binnenmarkt mit jeder Reform mehr (siehe letzter Artikel). Willkommen im ökonomischen Irrenhaus Europas, in Deutschland - wo wachsende Armut, Dumpinglöhne und Sozialabbau nicht etwas schlechtes, sondern erstrebenswerte "Anreize zur Arbeitsaufnahme", "Lohndifferenzierung" und "zukunftssichernde Reformen" heißen. Um bei dieser Logik zu bleiben, ist angesichts der Regierungspraxis mein Brechreiz auch eine Lobeshymne.

Mr. Europa: Deutschland gefährdet durch Dumpinglöhne Zusammenhalt der EU

In dem Artikel „Kritik an der Exportnation - Juncker wirft Deutschland Sozialdumping vor" geht Jean-Claude Juncker, Premierminister Luxemburgs und einer der bekanntesten europäischen Politiker, auf das gravierende Problem der extremem Exportabhängigkeit Deutschlands bei gleichzeitiger Drosselung des Binnenmarktes ein. Eine ähnliche Kritik hatten vor wenigen Monaten die französische Finanzministerin Lagarde und zuvor viele Wirtschafsnobelpreisträger (z.B. Paul Krugman) und renommierte Fachleute für Volkswirtschaft, wie der für die UNO tätige Ökonom Heiner Flaßbeck oder das (einzige kompetente) Mitglied der Wirtschaftsweisen, Bofinger, veröffentlicht. Die Argumente sind schnell zusammengefaßt: während in allen Ländern um uns herum die arbeitenden Menschen einen fairen Anteil am Wirtschaftswachstum haben und die Löhne der meisten Menschen wachsen und dadurch mehr Kaufkraft am jeweiligen Binnenmarkt vorhanden ist, sinken in Deutschland nach Abzug der Inflation die Löhne seit Jahren. Die meisten Menschen haben nichts mehr von einem Aufschwung, da die Gewinne aus den Exporten bei den ohnehin schon Reichsten landen, die damit eher spekulieren, als es der Wirtschaftsnachfrage zuzuführen.
Oder um es überspitzt zu formulieren: Deutschland ist das Dumpinglohn-China Europas: mit niedrigeren Löhnen werden die Exportmarktanteile auf Kosten aller anderen vergrößert. Je mehr Deutschland dabei gewinnt, desto mehr müssen sich die anderen EU-Länder verschulden. Am Ende dieser Entwicklung steht das Zerbrechen der Währungsunion und des EU-Binnenmarktes, und Deutschland wird die Schulden der Abnehmerstaaten nicht mehr eintreiben können, weil wir diese Staaten zuvor in den Ruin getrieben haben. Damit hätten wir dann reale Waren verkauft für nichts und wieder nichts. Warum eine Bundesregierung in Deutschland nach der anderen derart volkswirtschaftlich inkompetent ist, läßt sich leicht erklären: Die Konzernbosse profitieren durch wachsende Gewinne davon, daß sie ihren Angestellten weniger Lohn zahlen und zwingen der Politik mit quasireligiöser neoliberaler Dogmatik diese falsche und vom Ausland kritisierte Sichtweise auf, selbst wenn dadurch die Gesamtwirtschaft leidet und der Abstand zwischen arm und reich sich immer weiter vergrößert.

Doch nun eine Textstelle aus dem Luxemburger Wort zur Pressekonferenz von Mr. Europa, Herrn Juncker:

„Doch das exportstarke Land muss sich zunehmend Kritik an seinem wirtschaftspolitischen Kurs gefallen lassen. Sowohl Ökonomen aus den USA als auch die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde werfen Deutschland vor, in der Krise auf Kosten der Partnerländer gespart zu haben.

Der Luxemburger Premierminister hatte schon im Frühling Lohnerhöhungen in Deutschland gefordert. Am vorigen Dienstag, beim großen Pressebriefing vor der Sommerpause, platzte Jean-Claude Juncker der Kragen. "Den Weg, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat, würde ich in unserem Land nicht gerne gehen", sagte Juncker unverblümt und warf der Bundesregierung ganz offen "Lohn- und Sozialdumping" vor.

Explizit verglich er die Lohnentwicklung der beiden Länder: Während die deutschen Arbeitnehmer seit Beginn der Währungsunion 1999 bis heute mit einer schmalen Lohnsteigerung von zwölf Prozent vorlieb nehmen mussten, konnten sich die Luxemburger über 41 Prozent mehr Geld freuen. Wenn man die Inflation mit einbezieht, so Juncker, "hat sich das Realeinkommen der deutschen Arbeitnehmer verschlechtert". Schuld daran seien unter anderem die Hartz-Reformen, die "ganze Teile der Bevölkerung in den Niedriglohnsektor hinabgedrückt" hätten. "Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 700 Euro im Monat", regt sich Juncker auf.

Profit auf Kosten anderer?
Er wirft Deutschland vor, mit niedrigen Löhnen Profit auf Kosten anderer Länder zu machen und attackiert "eine Fehlentwicklung der deutschen Gesamtwirtschaft und der Tariflandschaft".“