Donnerstag, 14. Oktober 2010

Wiener Wirtschaftswissenschaftler über Zukunft nach absehbarem Totalcrash in den nächsten 3 Jahren

Dieses bahnbrechende Interview handelt von Banken, die (alle) Geld aus der Luft erfinden, dafür aber reale Werte verlangen, von dem unvermeidlichen Crash des Euro 2011 und dem immanenten weltweiten Totalzusammenbruch des jetzigen Wirtschaftssystems um 2013, von dogmatischen Wirtschafswissenschaftlern, die nur das jetzige System fortschreiben können und unfähig sind, jegliche Alternativen in Betracht zu ziehen, von dem Ende des Geldes, von Zinsen, die nur das Eigentum belohnen, nicht jedoch echte Leistung, von den angeblich freien Märkten, die nur Blasenmaschinen für die Eliten sind, von der Notwendigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Dieses Interview mit FRANZ HÖRMANN (namhafter Professor am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der Wirtschaftsuniversität Wien) wurde am 13.10.2010 veröffentlicht von der österreichischen Variante des „Spiegel“, dem „Standard“. Unter dem Interview in der Online-Ausgabe gab es einen derart grandiosen Zuspruch zu den Thesen des Professors in über 2000 Leserkommentaren – soviel rekordverdächtige Seitenaufrufe und Leserkommentare in nur wenigen Stunden zeigen, daß die Leser schon wesentlich weiter sind mit ihrem Wunsch, daß ganze korrupte Geld- und Wirtschaftssystem gegen eines der vielen besseren Alternativen komplett auszutauschen, anstatt das bisherige durch kosmetische Korrekturen noch weiter am Leben zu erhalten. Um es mit einem anderen Kritiker des Weltfinanzsystems, Max Keiser, auszudrücken: Gebt dem jetzigen System endlich Sterbehilfe! Befreit uns davon!
Doch nun zum Best-off des Interviews mit dem Professor:

derStandard.at: Sie gehen davon aus, dass sich Gesellschaft und Wirtschaft in den kommenden Jahren völlig verändern werden. Hat unser derzeitiges Finanz- und Wirtschaftssystem ausgedient?

Franz Hörmann: Definitiv in jeder Hinsicht. Weil wir aus Sicht der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften Modelle verwenden, die auf die alten Römer zurückgehen. Das Zinseszinssystem stammt aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend, die doppelte Buchhaltung aus dem 15. Jahrhundert. Und es gibt keinen Bereich unserer Gesellschaft und der Wissenschaften, wo Methoden dieses Alters überhaupt noch ernst genommen werden. Aber es dient dazu, gesellschaftliche Eliten mächtig und reich zu erhalten, deswegen ändert sich nichts.

derStandard.at: Läutete die Krise nun ein Umdenken ein?

Hörmann: Das denke ich schon. Die heutige Krise geht von den Banken aus. Banken erfinden im Kreditprozess Geld. Wenn man aber Geld aus Luft erfindet und das, was vorher noch nicht existiert hat, verzinst weiter gibt und dinglich absichern lässt, dann ist das, wenn das Geschäftsmodell schief geht, in Wahrheit ein Enteignungsmodell. Das ist auch der Hintergrund des Bankgeheimnisses. Banken können überhaupt nicht offenlegen, wo beispielsweise die Zinsen für Sparbücher, Bausparverträge oder Sonstiges herkommen. Denn wenn sie das täten, müssten sie zugeben, dass das alles in Wirklichkeit verkettete Pyramidenspiele sind. […]

derStandard.at: Den Banken und dem Finanzsystem zu vertrauen ist also ein Fehler?
Hörmann: Das Vertrauen ist ja in den letzten Jahren von den Banken systematisch missbraucht worden. Es gibt ein systemisches Betrugsmodell einer Institution, der in unserem Wirtschaftssystem das Monopol zur Geldschöpfung über Kredite eingeräumt wird. Solange man mit Eigenkapital als Sicherheit zur Bank geht und die erzeugt aus Luft echtes Geld, das eine Zahlungsmittelfunktion hat, haben wir ein Problem. Eigenkapital ist eben kein Geld, es ist eine Rechengröße. […] Auch Staaten können sich daher in Wirklichkeit gar nicht verschulden. Ein Staat, wenn man ihn als Summe des gesamten Geldflusses versteht, wo soll sich der verschulden? Warum gerade bei einer Privatbank? Ein Staat müsste sein Geld eigentlich selbst erzeugen, und zwar basisdemokratisch.

derStandard.at: Was ist dann von einer Rettung wie im Falle Griechenlands zu halten?

Hörmann: Die europäischen Länder haben nicht unbedingt die Griechen gerettet, sondern ihre eigenen, in erster Linie die deutschen Banken, die hier absurde Kredite vergeben haben. Die Zusammenhänge sind auch völlig absurd, wenn man sich Folgendes überlegt: Der Staat verschuldet sich bei den Banken, um die Zinsen der Schulden, die er bei den Banken hat, zu begleichen oder um die Banken zu retten, bei denen er selber Schulden hat. Da versteht ja keiner mehr, wer eigentlich bei wem Schulden hat und was Schulden eigentlich sind.

derStandard.at: Die Systemrelevanz von Banken und das "too big to fail"-Argument und die Bankenrettungspakete sind für Sie also reines Eigeninteresse?

Hörmann: Das "Too big to fail" ist ja ein Geschäftsmodell. Es gibt erwiesenermaßen die gezielte Absicht, Banken durch Übernahmen immer größer zu machen, damit sie "too big to fail" werden. Die Verknüpfungen zwischen Finanzwirtschaft und Politik sind enorm. Eigentlich kann man Regierungen, die aus aktiven oder früheren Mitarbeitern des Finanzsystems bestehen, gar nicht ernst nehmen. […] Die Bankenrettungspakete sind überhaupt wahnsinnig witzig: Die Banken wurden nicht gerettet, es gibt nur einen Plan für die Zukunft, von dem man heute schon weiß, dass er nicht funktionieren wird, denn die Gelder müssen ja erst in den kommenden "Sparpaketen" mittels Steuererhöhungen von den Bürgerinnen und Bürgern einkassiert werden. Die Banken sind rund um den Globus pleite. Darum kann man getrost so tun, als ob es sie nicht mehr gäbe.

derStandard.at: Aber noch gibt es sie.

Hörmann: Wenn wir uns die Kredite anschauen, können wir sie ignorieren. 1969 hat ein amerikanischer Architekt einen Prozess gewonnen, weil er seinen Hypothekenkredit nicht zurückzahlen wollte. Er hat sich auf den Rechtsgrundsatz berufen, dass in einer Leihe, wo ein Gegenstand erst entsteht, der vorher noch nicht vorhanden war, dieser Gegenstand auch nicht zurückgegeben werden muss. Da also in der Kreditschöpfung das Geld erst erzeugt wird, gibt es keinen Grund, diesen Kredit zurückzuzahlen. In den USA gibt es schon Bürgerrechtsbewegungen, die den Amerikanern empfehlen, sich zusammenzuschließen und Kredite nicht mehr zurückzuzahlen.

derStandard.at: Kommen wir noch einmal auf die Bilanzen zurück. Das Problem fängt Ihrer Ansicht nach schon hier an?

Hörmann: Es mangelt an der Abzählbarkeit der Größen, die in Bilanzen verwendet werden. Jemand, der ein Haus um zwei Millionen statt um eine Million kauft, weil er schlecht verhandelt hat, hätte dann ein um eine Million höheres Eigenkapital? Und wenn er jemanden findet, der es um zehn Millionen kauft, ist das dann ein Marktpreis? Es ist krank. […] Es ist ein flächendeckender Betrug über Kapitalgesellschaften und Banken in unserem Wirtschaftssystem. Aber das darf die Politik nicht zugeben, weil es zu nahe an jene Formulierungen heranreicht, die früher die Marxisten verwendet haben. Und das wäre ja allzu peinlich. […]

derStandard.at: Derzeit werden die Stimmen, dass beispielsweise der Euro verschwinden wird, immer lauter. Brauchen wir Geld überhaupt noch?

Hörmann: Alle Währungen werden verschwinden, weil sie technisch nicht mehr funktionieren können. Ich schätze, dass es schon 2011 so weit sein wird. Wenn wir uns aber in eine neue Gesellschaft ohne Geld retten wollen, brauchen wir als Übergangphase mehrdimensionales Geld. Wir brauchen mehrere unabhängige Rechnungskreise in Form spezialisierter elektronischer Gutscheine. Um die Grundversorgung der Menschen abzudecken, wie Wohnraum, Energie, Lebensmittel usw., könnte man eine Inventur in den einzelnen Ländern aller verfügbarer Ressourcen und des Bedarfs machen. Dann wäre es notwendig, die vorhandenen Ressourcen pro Kopf so zu verteilen, dass für den Basislebensstandard alle versorgt sind. Hier müssen alle kooperieren, ohne dass sie in ein gewinnorientiertes Tauschkonzept verfallen. Die Gemeinschaft muss ohne Wenn und Aber und ohne Gegenleistung Kinder, alte und kranke Menschen erhalten, und alle müssen mit diesem Grundlebensstandard versorgt werden, egal welche oder ob sie überhaupt eine Leistung vollbringen.

derStandard.at: Wir sprechen also von einem bedingungslosen Grundeinkommen?

Hörmann: Genau. Aber nicht in Geld, sondern in Gütern und Dienstleistungen. Im Bereich des Luxus kann die Gesellschaft dann basisdemokratisch entscheiden, für welche individuellen oder Gruppenleistungen Preise ausgeschrieben werden. Für tolle Erfindungen zum Beispiel, oder besonders schwierige oder mühsame Arbeiten. Das ist dann der Ansporn in einem motivierenden, leistungsorientierten Anreizsystem. Es reden ja alle von der Leistungsgesellschaft, aber Zinsen- und Dividendeneinkommen sind keine Leistung, sondern eine Vergütung für Eigentum. Da Geld sowieso eine gesellschaftliche Konstruktion ist, müssen wir uns nicht an der toten Materie orientieren, die in früheren Jahrtausenden die praktische Manifestation von Geld war. Geld selbst besitzt ja lediglich eine Informationsfunktion.

derStandard.at: Noch nehmen wir das Geld aber sehr ernst. Währungskrieg und Währungskrisen geistern durch die Medien.

Hörmann: Der wirkliche Skandal ist, dass unser gesamtes Geldsystem auf Schulden basiert. Das heißt, die Geldschöpfung funktioniert zu 97 Prozent in den Geschäftsbanken. Auch Staaten nehmen so Kredite auf: Die Zentralbanken machen das durch eine Bilanzverlängerung. […] Die chinesische Staatsbank erfindet auch Geld aus Luft, nur lustigerweise, ohne dass eine Staatsschuld entsteht. Das sollten wir auch machen. Der chinesische Wirtschaftswissenschafter Wu hat bei einem Vortrag an einer amerikanischen Universität gesagt: Er werde oft gefragt, warum es in China so viele Unternehmensgründungen gegeben hat. Die chinesische Staatsbank habe Gründungskredite hergegeben, die waren unverzinst und mussten nicht zurückgezahlt werden. Das kann man natürlich nur als Zentralbank machen, wenn man einseitig bucht und nicht gleichzeitig Schulden erzeugt. Und wenn man dann sagt: Um Gottes Willen, dann gibt's ja Inflation! Das haben die Chinesen über eine Preisregulierung gesteuert und waren damit wieder die Schlaueren. Das will aber bei uns keiner hören, weil das geht gegen das Dogma der freien Märkte, die Blasenmaschinen zum Missbrauch für die Eliten sind.

derStandard.at: Ist China da wirklich ein Vorbild?

Hörmann: Die Chinesen machen es richtig. Sie picken sich aus den beiden politischen Systemen jeweils die Rosinen raus und sind offenbar so flexibel zu sagen: Das, was in unserem alten System gut funktioniert hat, behalten wir bei. Und das, was im kapitalistischen System gut ausschaut, das übernehmen wir. Es ist eine Mischform, die sich noch dazu laufend weiter entwickelt, also einer Evolution unterliegt. Aus Sicht der Elite in China ist es einfach, solange sie es so steuern kann. Ob es für die gesamte Bevölkerung, insbesondere für die Landarbeiter so einfach ist, ist eine andere Frage.

derStandard.at: Wo sehen Sie unser Wirtschaftssystem nun in Zukunft?

Hörmann: Solange Eigentümer etwas produzieren, damit Konsumenten es gegen Geld kaufen, werden wir in absehbarer Zeit in einen Zustand geraten, wo die öffentliche Hand, die Gelderzeuger, die Konsumenten dafür bezahlen müssen, dass sie einkaufen gehen. Nur dann werden die Eigentümer noch ihre Gewinne erzielen können. Denn durch Arbeit in immer stärker rationalisierten und automatisierten Prozessen wird kein Mensch mehr sein Einkommen verdienen können. Wir wissen, dass zehn Prozent der berufstätigen Bevölkerung von ihren Arbeitseinkommen nicht mehr leben können. In Wirklichkeit müssten wir darüber in Freude ausbrechen. Zu Beginn der Industrialisierung war die betriebswirtschaftliche Maßgröße eingesparte Arbeitsstunden. Und genau das ist die einzig sinnvolle ökonomische Größe.

derStandard.at: Sie wünschen sich also eine neue Weltordnung?

Hörmann: Globalisierung richtig verstanden, bedeutet, dass es keine Standortpolitik mehr gibt. Es gibt nur einen Standort, und das ist der Planet Erde. Und es gibt auch nur eine Nation, das ist die Menschheit. Diese ist natürlich vielfältig, und muss liebevoll und empathisch miteinander kommunizieren. Wir müssen auch die Vertreter der sogenannten Elite dort abholen, wo sie heute stehen. Wir dürfen keine Sündenböcke suchen. Denn wir müssen ihre Verlustängste berücksichtigen und sagen: Ihr werdet zwar etwas verlieren, aber das sind nur Zahlen auf Papier oder Displays. Und wenn ihr mitarbeitet, dann können wir jede Form von Lebensstandard schaffen und zwar für eine breite Bevölkerung. Das schafft dann auch Sicherheit, weil es keinen Neid mehr geben wird.

derStandard.at: In welchem Zeithorizont denken Sie an diese neue Gesellschaftsordnung?

Hörmann: Drei Jahre. Die Frage ist nämlich, schafft es die Menschheit, in drei Jahren dieses Konzept umzusetzen oder wird sie gar nicht mehr bestehen. Wir haben nämlich massenhaft ökologische und soziale Probleme, in vielen Ländern stehen wir kurz vor der Revolution.

derStandard.at: Sie reden also vom ultimativen Crash?

Hörmann: Richtig. Wie die Gesellschaft in Zukunft leben wird oder will, kann nur die Gesellschaft selbst entscheiden und zwar nach dem Mehrheitsprinzip. Das geschieht demokratisch in der Vernetzung. Hierarchische Strukturen können aus informationstheoretischer Sicht nie funktionieren, weil die Personen an der Spitze der Pyramide das Wissen nicht haben. Sie werden von den Schichten darunter permanent belogen. Wie man sich als einfacher Bürger gegen Überwachung oder Schikanen wehren kann, ist bekannt: Man lügt die Mächtigen einfach an. Daher brechen sämtliche hierarchische Systeme, ob das Regierungen, Staaten, Schulsysteme oder Unternehmen sind, momentan zusammen und die Menschheit vernetzt sich über das Internet auf einer Ebene neu, über das "global brain". Hier entstehen dann völlig neue Spielregeln nach dem Prinzip der Emergenz.

Link zum Original-Interview mit Professor Hörmann (und den zustimmenden Leserkommentaren darunter):
"Banken erfinden Geld aus Luft"

Link zum absehbaren Verriss des Interviews durch einen strammen Neoliberalen (viel interessanter sind auch hier die Leserkommentare darunter, die wesentlich intelligenter sind als die übliche Argumentation der Vertreter des krankhaften Ist-Zustands):
"Der Professor als Phantast"