Doch wie sieht es konkret in Zahlen ausgedrückt aus?
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Wenn man den Blick von den Reichsten und dem Mittelstand nun auf die Ärmsten richtet, ergibt sich ein erschreckendes Bild: Mehr als ein Viertel aller Erwachsenen hat gar kein Vermögen und ist teils sogar verschuldet.
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Vermögensverteilung | 2002 | 2007 |
Die ärmsten 10% | -1,2 | -1,6 |
10-20% | 0 | 0 |
20-30% | 0 | 0 |
30-40% | 0,4 | 0,4 |
40-50% | 1,3 | 1,2 |
50-60% | 2,8 | 2,8 |
60-70% | 7 | 6 |
70-80% | 11,8 | 11,1 |
80-90% | 19 | 19 |
Die reichsten 10% | 57,9 | 61,1 |
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Welche langfristigen Trends lassen sich daraus ableiten? Grassierende Kinderarmut, Armut im Alter, eine zerstörte Mittelschicht, eine übergroße Unterschicht, wachsende Arbeitslosigkeit wegen fehlender Nachfrage, eine 80:20-Gesellschaft – ist es das, was die Mehrheit möchte? Auf diesem Kurs befindet sich Deutschland seit Jahren. Will die Mehrheit freiwillig verarmen und Wohlstand nur noch im Fernsehen sehen? Das darf bezweifelt werden.
2/3 der Wirtschaft (Inland) einschläfern, um 1/3 (Export) boomen zu lassen?
Es ist wirtschaftlich unsinnig, daß sich viel Geld bei den Reichsten konzentriert, denn sie erhalten dadurch mehr Geld, als sie ausgeben können, entziehen damit dem Wirtschaftskreislauf Nachfrage und pumpen mit dem Reichtum eine Spekulationsblase nach der anderen auf. Sie haben erheblich dazu beigetragen, daß die derzeitige Finanzblase entstanden ist, während alle anderen den Gürtel enger schnallen mußten. Ohne Nachfrage werden weniger Arbeitsplätze benötigt, so daß die Arbeitslosigkeit jahrelang anstieg und sich auch jetzt nur durch statistische Tricks verdecken läßt, da all die Menschen, die sogar aus Hartz-4 herausgefallen sind, Ein-Euro-Jobs und Menschen in Umschulungen nicht mehr mitgezählt werden. Die unendlich oft abgespulte Gehirnwäsche, daß wir in Konkurrenz mit China stehen, hat zu einem Lohnverfall geführt, der ein massives Ungleichgewicht zwischen einem ausufernden Angebot und einer verkrüppelten Nachfrage zur Folge hatte.
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Vermögenssteuer abgeschafft und Erbschaftssteuer gesenkt - weitere Umverteilung von unten nach oben
Warum wurde die Vermögenssteuer nicht wieder eingeführt, die bis vor einem Jahrzehnt in der Bundesrepublik galt und dann aufgehoben wurde? Im Wahlkampf 1998 hatte Schröder die Wiedereinführung zugesichert und später dann "vergessen". Wieso begünstigt die letzte Erbschaftssteuerreform schon wieder die Reichsten? Die DIW-Wissenschaftler Joachim Frick und Markus Grabka äußern sich zur Erbschaftssteuerreform wie folgt: "Die Erbschaftsteuerreform wird zu einer weiteren Vermögenskonzentration führen. Es sollte aber das Prinzip der Chancengleichheit gestärkt werden, denn nicht nur die Bildungschancen sondern auch die Höhe der erwarteten Erbschaften werden maßgeblich von der sozialen Herkunft bestimmt. Ein neuerliches Überdenken dieser Reform wäre deshalb geboten."
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Wieso gibt es eine Steuersenkung nach der anderen (z.B. pauschale Abgeltungssteuer für Kapitaleigner, Senkung der Spitzensteuersätze im letzten Jahrzehnt) für die, die es am wenigsten benötigen, während die Verbrauchssteuern und Abgaben, die Kosten für Gesundheit und Renten dem Mittelstand und den unteren Bevölkerungsschichten die Luft zum atmen immer weiter abschnüren und zur spezifisch deutschen Schwäche der Binnennachfrage beitragen? Wieso wurde jahrelang Lohnzurückhaltung gepredigt, als schon längst absehbar war, daß der Exportanstieg die einbrechende Inlandsnachfrage nicht auffangen kann? Inwiefern konkurriert ein deutscher Friseur mit einem chinesischen Friseur - und warum glaubte eine Regierung nach der anderen diesen Schwachsinn?
Diese Politik ist nicht modern, sondern eine Neuauflage des alten Merkantilismus.
Wieso wird hingenommen, daß sich in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt eine Million Menschen, darunter viele Kinder, vom Second-Hand-Essen der Armentafeln ernähren müssen? Nur ein winziger Bruchteil der oben genannten 4 Billionen Euro könnte dieses Problem komplett beseitigen.
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Staatsschulden - Staat leiht sich von denen, die Steuern sparen
Ein weiterer Aspekt ist die Unterfinanzierung des Staates. Durch all die angesprochenen Steuersenkungen und die geschaffenen Steuerschlupflöcher fehlt dem Staat nun das Geld, das er zuvor hatte. Nun muß sich der Staat das Geld von denen leihen, denen er zuvor die Steuern gesenkt hat - und zahlt zusätzlich Zinsen. Die Schulden des einen sind das Guthaben des anderen - das Hauptproblem ist also nicht, wie oft beschrieben, daß wir mit unseren Schulden die nachfolgenden Generationen ungerechterweise belasten, sondern eine ungerechte Verteilung innerhalb einer Generation, in der wenige die Zinsen kassieren und viele die gesenkten Steuern der Reichen mit einer höheren Mehrwertsteuer etc. ausgleichen müssen. Darin läßt sich keine Logik finden, sondern nur knallharte Interessenpolitik.
Teufelskreis: Geld bedeutet Macht - Macht bedeutet mehr Geld
Geldkonzentration bedeutet auch Machtkonzentration, denn über Geld kann man sich wohlgewogene Politik kaufen, sei es über Lobbyismus, über Parteispenden, über Schwarzgeldkoffer, über Nebeneinkünfte von Abgeordneten, über Aufsichtsratsposten, über Medien-Stiftungen zur Gehirnwäsche der Bevölkerung oder über gekaufte Wissenschaftler zur Gehirnwäsche der Politik. Die Möglichkeiten sind unerschöpflich.
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Warum gibt es in Deutschland ein Denkverbot, Reiche wieder stärker zu besteuern? Es gibt genug zu tun in Deutschland: die Beseitigung von Armut und Obdachlosigkeit, der Ausbau von Umweltschutz und regenerativen Energien, das Stoppen des Bildungsverfalls, Forschung, preiswertere Gesundheit für alle – die Liste ließe sich weiterführen. Das Geld ist vorhanden - wann fangen wir endlich an, es sinnvoll zu nutzen?
Artikel-Links zur Studie:
- Superreiche: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein Viertel des Vermögens
- Vermögensverteilung - Die Reichen werden reicher
- Vermögensungleichheit nimmt zu
- Skandal Vermögensverteilung