Freitag, 18. Mai 2012

Das Ende der Ruhe

Nach mehreren Monaten der Pause melde ich mich zurück und werde von nun an wieder häufiger Beiträge posten. Die Gründe für meine vorübergehende Pause lassen sich leicht nennen:

Frustration darüber, daß trotz aller aufklärerischen Arbeit vieler engagierter Mitbürger sich nichts zum Besseren zu ändern schien.

Frustration darüber, daß trotz des offensichtlichen Versagens der neoliberalen Ideologie diese nicht auf den Sondermüllhaufen der Geschichte geworfen wurde, sondern im Gegenteil sogar noch unter dem Begriff „Austerität“ beschleunigt fortgesetzt wird und Millionen Menschen in Europa ins Elend, in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit stürzt, während die Umverteilung von Reichtum zu dem obersten Prozent noch drastischer vonstattengeht. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß Neoliberalismus sein Debüt 1973 in der faschistischen Militärdiktatur Pinochets in Chile hatte. Die selben dysfunktionalen Glaubenssätze werden nun von Merkel und Schäuble vertreten, und wie Faschismus selbst basiert auch Neoliberalismus auf dem Grundsatz der Ungleichwertigkeit und Abwertung von Menschen und der völligen Ignoranz von Menschenwürde. Es ist nicht verwunderlich, wenn in den Wunden, die dieses System in der Gesellschaft verursacht hat, regelmäßig das Geschwür von Intoleranz und Rassismus wächst. Neoliberalismus ist keine Politik, es ist ein Verbrechen!

Frustration darüber, daß die Mainstreammedien in Deutschland immer frecher die Gehirnwäsche der Bevölkerung betreiben, indem sie wie in der letzten Woche minimale ökonomische Wachstumsraten von einem halben Prozent zu einem Boom und Kaufrausch hochschreiben, obwohl die Binnennachfrage in Deutschland seit den Neunzigern messbar und auch nicht überraschend genauso flach ist wie der nicht existente Anstieg der Löhne und der Kaufkraft.

Frustration darüber, daß Merkel, eine Politikerin, die in einer menschenverachtenden, starren und mit religiöser Inbrunst vertretenen Ideologie gefangen ist, die zum Anstieg von Nationalismus quer durch Europa geführt hat, immer noch hohe Beliebtheitsraten in Deutschland genießt. Entweder sind auch diese Umfragen manipuliert, oder die Mainstreammedien benebeln immer noch die Vernunft der Mehrheit.

Frustration darüber, daß die Medien, die Wirtschaftsprofessoren, die politische Klasse von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP wie gleichgeschaltet immer noch den Sparkurs als Lösung der Schuldenprobleme anpreisen, während er in Wirklichkeit die Wirtschaften der betroffenen Länder abwärts in eine Todesspirale schickt, die eine Begleichung der Schulden aufgrund der ansteigenden Arbeitslosigkeit und der ausfallenden Steuereinnahmen erst recht unmöglich macht. Es ist keine Übertreibung, von einer Gleichschaltung der Medien in Deutschlands zu sprechen. Seit Reichskanzler Brüning, also seit 80 Jahren, ist bewiesen, daß Sparabsicht und Sparerfolg zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Will man wirklich Schulden reduzieren, kann man die Reichsten deutlich mehr besteuern als jetzt (in den USA galt nach dem zweiten Weltkrieg ein Steuersatz von 94% für die Superreichen) und durch massive Investitionen in Zukunftsbranchen die Basis dafür schaffen, aus dem Schuldenberg herauszuwachsen, anstatt sich in immer größere Schulden und Zinszahlungen hineinzusparen. Der Rest Europas weiß das, nur bei uns wird diese Information weitestgehend unterdrückt. Die deutsche Regierung ist der letzte Hort der neoliberalen Orthodoxie und wird inzwischen sogar von erzkapitalistischen Ländern wie Großbritannien und den USA zu mehr Wachstumsförderung aufgefordert. Ja selbst der von mir absolut verhasste IWF äußert sich dahingehend. Die USA und Großbritannien haben im Gegensatz zu uns Mindestlöhne. Beide Länder haben auch eine höhere Erbschaftssteuer für Superreiche. Großbritannien verfügt zudem über eine Börsensteuer. Daß Deutschland einmal ausgerechnet von Manchesterkapitalisten und der Wall Street links überholt wird, hätte ich früher nicht einmal träumen können!

Frustration auch darüber, daß der Westen nun vollends die NATO von einem überflüssigen Verteidigungsbündnis in ein noch überflüssigeres Angriffsbündnis umgewandelt hat und aus Libyen, dem vormals reichsten Land Afrikas mit der höchsten Lebensqualität des Kontinents einen Failed State geschaffen hat, in dem nun „Teile und Herrsche“ praktiziert wird und nun Syrien als nächster Staat unterworfen werden soll, um auch dort unter dem Vorwand der Demokratisierung noch mehr Elend und Terrorismus zu verbreiten. Fällt Syrien, ist der Iran als nächster Staat dran.

Frustration darüber, daß der Widerstand gegen antidemokratische Einrichtungen wie dem ESM und EFSF, die das urdemokratische Haushaltsrecht des Bundestages in grundgesetzwidriger Weise verletzen, in Deutschland kaum vorhanden ist. Die "Opposition" der Steinmeier & Steinbrück-SPD zum Fiskalpakt ist so windelweich, daß man nicht von Gegnerschaft, sondern Komplizenschaft dieser Partei beim Übergang von immerhin noch formeller Demokratie zu einer Finanzdiktatur sprechen muß. Das Haushaltsrecht des Bundestages auszuhebeln, bedeutet, daß wir in Zukunft in jedem EU-Land wählen können, was wir wollen, letztendlich aber doch nur die Wahl haben, wer die gezielte Verarmung von 500 Millionen EU-Bürgern durchführt. Das ist in der Praxis zwar bisher auch schon der Fall (weil die Medien die Bevölkerungsmehrheit noch stets dazu bringen konnten, gegen ihre ureigenen Interessen zu wählen), aber mit der Verabschiedung des Fiskalpakts wäre es selbst bei einer angenommenen absoluten Mehrheit der Piraten oder der Linkspartei nicht mehr möglich, die Plünderung der Massen durch wenige Superreiche zu stoppen. In Diktaturen darf man auch wählen, und auch dort ändert sich nach der Wahl nichts. Wo ist dann noch der Unterschied? Die Antwort darauf darf aber nicht sein, den Übergang in eine Diktatur einfach hinzunehmen, sondern jetzt für mehr Demokratie zu kämpfen, wenn wir eine lebenswerte Zukunft wollen! Alternativlos ist nichts, außer die Abkehr vom bisherigen System! Ideen gefällig? Volksabstimmungen zu allen wichtigen Themen; Demokratisierung der Arbeitswelt; Überführung aller Banken in kommunales, genossenschaftliches oder staatliches Eigentum zur demokratischen Kontrolle des Finanzsystems; Demokratisierung der Mainstreammedien - die öffentliche Meinung darf nicht die veröffentlichte Meinung von nur 5 oder 6 Großverlagen in Privatbesitz mit Profitinteressen sein; statt Ausweitung eine gezielte Schließung der Einkommensschere durch Besteuerung hoher Einkommen; Abschaffung von Armut, Obdachlosigkeit, Kinderarmut, Altersarmut und dem größten Teil behördlicher Willkür durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Garantie der Menschenwürde; Übertragung von privaten Monopolen und Oligopolen in gemeinschaftliches Eigentum, sofortige Rücknahme der Privatisierung von Krankenhäusern und des Gesundheitssystems insgesamt - Gesundheit darf keine Ware sein!

(Foto: eindrucksvolle Massendemonstration gegen Finanzkapitalismus in Madrid in dieser Woche)
Doch was hat mich nun bewogen, diese Apathie hinter mir zu lassen? Zum einen kann ich nicht ruhig zuschauen, wie nun auch noch die letzten Reste der Demokratie weggeschliffen werden sollen. Ich kann nicht ruhigen Gewissens einschlafen, während der Sozialstaat abgebaut wird in einer Zeit, in der die Einkommen zwischen unten und ganz oben immer stärker auseinanderdriften. Wir können und müssen uns den sozialen Ausgleich leisten. Er ist nicht überholt, sondern stört lediglich die Profitinteressen der Konzerne und der Plutokratie. Zum anderen müssen das Zwangskorsett des Fiskalpakts und ein Irankrieg unbedingt verhindert werden. Ein weiterer Grund des Weitermachens ist eine neue, durch Realität unterfütterte Hoffnung, daß quer durch Europa und weltweit die Menschen beginnen, dagegen aufzustehen, den Gürtel immer enger schnallen zu müssen. Sie wählen korrupte Plutokratenpolitiker ab bzw. befördern sie nicht in Ämter, ob nun in Frankreich, den Niederlanden, in Spanien, in Portugal, in Italien, in Griechenland, in Großbritannien, in den USA, in Südkorea, in Südafrika, in der Slowakei, und sogar in Deutschland, wie man in Nordrhein-Westfalen erst kürzlich gesehen hat. Unter der scheinbar ruhigen Oberfläche brodelt der Unmut sogar in Deutschland. Das gilt es auszubauen, denn es bleibt angesichts des finanziellen Blitzkriegs gegen uns alle nicht viel Zeit. Wie man an den Demonstrationsverboten in der Bankenmetropole Frankfurt am Main in dieser Woche sehen konnte, versucht ein wachsender Polizeistaat immer unverfrorener, das Demonstrationsrecht auszuhebeln und jede Opposition zu den Banken und ihren Marionettenpolitikern zu bekämpfen:

Die 99 Prozent in Deutschland sind mehr denn je gefordert, dem Aufruf Stéphane Hessels zu folgen: Empört euch!

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