Montag, 7. Juli 2008

Globalisierung oder die Frage, ob Skandinavien auf demselben Globus liegt

Zitat von Napoleon Bonaparte:
"Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das Deutsche. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden, die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgen ihre Landsleute mit grösserer Erbitterung, als ihre wirklichen Feinde."

Fast jede "Reform", welche die Marktwirtschaft wieder etwas unsozialer macht, wird entweder mit der Demografie oder mit der Globalisierung - gern auch mit beidem begründet. Die entsprechende Argumentation hat jeder sicher schon hunderte Male zu oft gehört: die hohen deutschen Löhne befinden sich im globalen Wettbewerb, und wenn sich deutsche Arbeitsplätze behaupten wollen, müssen alle den Gürtel enger schnallen. Nun, diese Aufforderung dürfte sich mit der Zeit selbst erledigen, denn wenn die Nahrungsmittel weiter teurer werden, kann man den Gürtel am Ende auch ganz ohne Mühe enger schnallen.
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum Deutschland angeblich so wenig wettbewerbsfähig in der Welt ist und gleichzeitig seit Jahren Exportweltmeister - noch vor den USA mit über 300 Millionen Einwohnern und noch vor China mit 1,3 Milliarden Einwohnern? Ist man wohlgesonnen, könnte man das als kognitive Dissonanz bezeichnen. Ist man weniger wohlgesonnen, dann nennt man es billige Propaganda, die durch ständige Wiederholung in die Köpfe der Menschen gehämmert wird. So funktioniert Propaganda: durch ständiges Wiederholen.
Und nun komme ich mit einer zweiten Frage: Wenn bei uns angeblich die hohen Löhne schuld sind an der Arbeitslosigkeit, wieso haben dann Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland weniger Arbeitslosigkeit und gleichzeitig höhere Löhne bei höherem Wirtschaftswachstum? Gilt die Globalisierung nicht für den gesamten Planeten, oder liegt Skandinavien auf einem anderen Globus?
Wieso läuft aber die Wirtschaft dort besser? Die Antwort lautet: Binnennachfrage.
Dieser Begriff ist deutschen Politikern und den meisten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten unbekannt, obwohl sich manche noch dunkel an den Begriff erinnern, als er in den 50er, 60er und teils auch 70er Jahren das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik begründete. Aber damals lautete der Slogan noch "Wohlstand für alle". Damals.
Binnennachfrage bedeutet schlicht, daß innerhalb eines Landes die Löhne hoch genug sind, so daß sich die Bürger damit Produkte und Dienstleistungen kaufen können. Dadurch stellen sie die Nachfrageseite in der Wirtschaft dar, denn Autos kaufen sich nicht von selber. Das wußte schon sehr viel früher Henry Ford. Sind die Löhne nicht hoch genug, gibt es nur eine schwache Nachfrage, und die Wirtschaft läuft dann unterhalb ihres Potentials, da die produzierten Güter im Inland nur von wenigen gekauft werden können. Schlicht gesagt sind wir deshalb auch Exportweltmeister, denn im Inland kann man es sich nicht leisten.
Ständig hört man von der politischen Kaste und den Wirtschaftsforschungsinstituten, daß unerklärlicherweise die Binnennachfrage in Deutschland so schwach ist. Trotzdem lautet ihre wirtschaftspolitische Antwort: Dosis erhöhen - mehr vom Falschen! Dabei werden dann im Sinne einer Exportförderung die Löhne gedrückt und die Arbeitszeiten erhöht, während die Binnennachfrage erdrosselt wird, obwohl sie - verglichen mit Export - den Hauptteil der Wirtschaft ausmacht.
Besonders lächerlich ist die Begründung, daß die Deutschen ja das Geld hätten, aber wegen der "German Angst" lieber sparen würden für schlechtere Zeiten. Wenn man von Durchschnittswerten ausgeht, mag es sicher stimmen, daß die Deutschen das Geld haben. In der Realität ist es jedoch eher so, daß einige wenige viel Geld zum sparen, anlegen und spekulieren haben, die meisten aber froh sind, wenn das Geld reicht. Vielleicht kennen Sie ja auch den Satz: Es ist noch so viel Monat am Ende des Geldes übrig!
Wie aber kann man denn bei höheren Löhnen noch konkurrenzfähig sein? Das ist die falsche Frage, denn auf die Lohnhöhe kommt es nicht an, sondern darauf, wie viel man für diesen Lohn produziert. Das sind die Lohnstückkosten, und da steht Deutschland sehr gut da, denn aufgrund unserer hochentwickelten und durchtechnisierten Produktionsstätten kann man mit vergleichsweise geringem Arbeitseinsatz sehr viel produzieren, und dadurch konkurrieren wir auch etliche andere EU-Länder in den Boden und halten den Exportweltmeistertitel. Wir produzieren auch mehr mit gleichem Arbeitseinsatz als Großbritannien oder die USA. Und indem wir mit niedrigen Löhnen den Mittel- und Unterschichten im Inland den fairen Anteil am Wirtschaftswachstum verweigern (den sie hauptsächlich erarbeitet haben), zwingt Deutschland mit seiner Lohnsenkungspolitik und der Weigerung, Mindestlöhne einzuführen andere Länder innerhalb der EU aus Konkurrenzgründen ebenfalls zu einer Lohnsenkungspolitik. Das wiederum übt wieder Druck auf deutsche Löhne aus: eine Spirale nach unten.
Eine Spirale, die von der Politik nicht abgebremst oder umgekehrt wird, sondern sogar noch vorangetrieben wird. Die Auswirkungen dessen liegen wie Blei auf den Binnenmarkt und der Kaufkraft der Mehrheit. Ein weiterer Aspekt ist die Politikerverdrossenheit, denn das grundsätzlichste Problem wird von der Politik nicht gelöst, sondern beschleunigt. Der Großteil der Politiker verläßt sich auf Wirtschaftswissenschaftler, deren Wissenschaft inzwischen mehr mit einer regelrechten Marktgläubigkeit zu tun hat: die "unsichtbare Hand" des Marktes bringt mit der Zeit immer alles ins Gleichgewicht.
Löhne sind Teil des Marktes - nicht nur als Kosten, sondern auch als Kaufkraft. Deutschland kann sich höhere Löhne leisten und MUSS sich höhere Löhne leisten, wenn wir nicht immer nur von der Nachfrage der anderen Länder abhängig sein wollen. Gerade wegen der Finanz-, Erdöl- und Nahrungsmittelkrise sowie einer fortwährenden Eskalation zwischen den USA und dem Iran wäre es falsch, sich blind auf die weltweite Nachfrage zu verlassen, ohne einen starken Binnenmarkt herauszubilden, der eine weltweite Krise abfedern könnte.

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