Donnerstag, 17. Juli 2008

10 Schritte zum Faschismus - reißt die Supermacht die restliche Welt in ein dunkles Zeitalter?

Die Autorin Naomi Wolf (nicht zu verwechseln mit Naomi Klein) hat anhand des Studiums bisheriger faschistischer Staaten (z.B. Italien, Deutschland, Spanien, Chile) 10 Merkmale extrahiert, anhand derer man erkennen kann, ob das eigene oder ein anderes Land auf dem Weg in dieses unheilvolle Regime ist. Ich habe in Klammern zu jedem der Punkte Beispiele für die derzeitige Supermacht USA eingefügt. Wenn Kanzlerin Merkel sich mit ihrem "lieben Freund George" Bush trifft, steht das leider in der Tradition der Unterstützung des faschistischen Pinochet-Regimes und anderer Diktaturen durch konservative Parteien in Europa.
  1. Ein Feind wird erschaffen oder als gefährlicher dargestellt, als es in der Wirklichkeit der Fall ist.
    (Der "Krieg gegen den Terrorismus" kann praktisch endlos dauern.)
  2. Ein außergesetzliches Rechtssystem wird installiert.
    (Patriot Act, Immunität des Präsidenten, gesetzeswidrige Überwachung der Telekommunikation, Guantanamo im rechtsfreien Raum, Umdefinition des Begriffes der Folter)
  3. Eine paramilitärische Kraft bzw. Söldnertruppe wird erschaffen oder geduldet.
    ("Blackwater" und andere private Söldnertruppen können rechtlich nicht für Gräueltaten belangt werden. Es gibt mehr Mitglieder von privaten Söldnerunternehmen als reguläre US-Army-Kräfte im Irak.)
  4. Ein Überwachungsapparat beobachtet das Volk.
    ("Homeland Security", ungesetzliche Immunität für Telekommunikationsfirmen, die US-Bürger im Regierungsauftrag überwachen.)
  5. Bürgerrechtsgruppen werden an ihrer Arbeit gehindert.
    ("Free Speech Zones", außerhalb derer freie Meinungsäußerung defacto nicht abgesichert bzw. gestattet ist)
  6. Willkürliche Verhaftungen und Freilassungen.
    (Jeder unter vermeintlichem Terrorverdacht kann weggesperrt werden ohne das Recht auf einen Anwalt und ein faires Verfahren. Guantanamo, Abu Ghureib und andere Geheimgefängnisse, in denen Folter verübt wird.)
  7. Besonderer Focus auf Schlüsselpersonen des zivilen Lebens, die sich der Entwicklung widersetzen.
    (bekanntestes Beispiel im kulturellen Bereich: "Dixie Chicks", Willie Nelson, Carlie Sheen und Ex-Gouverneur Jesse Ventura)
  8. Kontrolle der Medien
    (Vom Pentagon bezahlte Militärexperten manipulieren im TV die Bevölkerung in Kriege hinein, zuletzt Irak, jetzt Iran. Sämtliche großen US-Medienkonzerne gehören dem militärisch-industriellen Komplex oder haben Verbindungen zur Erdölbranche. Bilder von Irakkriegsopfern werden unterdrückt.)
  9. Eine andere als die Regierungsmeinung ist Verrat.
    ("Wer nicht für uns ist, ist gegen uns", Zweifel am Kriegspfad sind "unpatriotisch")
  10. Ausrufung des Notstands- bzw. Kriegsrechts.
    (Die Gesetze dafür wurden schon verabschiedet und können jederzeit in Kraft treten.)
Wenn Sie nun denken, dass es ein Problem der Vereinigten Staaten von Amerika ist, mit dem der Rest des Westens nichts zu tun hat, dann gehen Sie Punkt für Punkt im eigenen Land durch. Im Fahrwasser der USA erhöhen Innenminister überall in Europa die Überwachung. In Schweden wurde ein Gesetz zur Überwachung des gesamten europäischen Internetverkehrs ab 2009 beschlossen. In Großbritannien können Menschen inzwischen wochenlang weggesperrt werden ohne Konsultation eines Anwalts und das Recht auf ein angemessenes Verfahren - ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und Österreich wurde bereits beschlossen. In Deutschland wurden die Befugnisse des BKA erweitert. Der Datenschutz wird in Deutschland ausgehölt durch Übermittlung privater Daten deutscher Bürger an die USA. Sarkozy plant, während der französischen EU-Ratspräsidentschaft das französische Modell der Internetüberwachung auf den gesamten EU-Raum ausweiten. Kanada wird in wenigen Jahren als erstes Land auf Internet-2 umgestellt, womit jeder Internetsurfer eindeutig identifizierbar wäre. Bisher sitzen die meisten Bürger noch wie ein Frosch im Wasserkochtopf, der die langsam zunehmende Hitze nicht bemerkt, bis es zu spät ist.
Naomi Wolf: "The end of America"

2 Kommentare:

  1. Mmmh, also nun mag ich ja uebersensibilisiert gegenueber der Verwendung des Begriffs "Faschismus" sein, aber sind die aufgefuehrten Merkmale nicht eher Totalitarismusmerkmale? Fehlt da nicht noch etwas zum Faschismus? Rassische Ueberlegenheit zum Beispiel? Und damit meine ich urspruengliche "rassische" Ueberlegenheit, die m.E. auf pseudo-biologischen Merkmalen beruht - nicht die "verwaesserte" Version, die "rassisch" fuer jeglichen Ueberlegenheitsanspruch verwenden moechte.
    Um zu ein paar Merkmalen zu kommen:
    "aussergesetzliches Rechtssystem": Warum ist das beschriebene US-Recht ausserhalb des Rechtssystems? Wenn ich das mit Nazi-Deutschland vergleichen darf, scheint mir ein wichtiger Unterschied darin zu bestehen, dass die demokratischen Strukturen verwendet wurden und auch Gegner nicht gewaltsam eingeschuechtert/ abgehalten wurden. Wenn das ganze nicht verfassungsgemaess sein sollte, gibt es dafuer den Supreme Court, oder? Solange diese Wege offenstehen, habe ich Bauchschmerzen, alles als "aussergesetzlich" o.ae. zu bezeichnen. Es mag voelkerrechtswidrrig sein und das mag ohne Folgen bleiben. Aber das ist ein generelles Problem des Voelkerrechts. Das "aussergesetzlich" im Faschismuszusammenhang duerfte sich doch wohl eher auf nationales Recht beziehen, oder?!
    Und hat nicht der Supreme Court schon mehrfach zugunsten der Guantanamo-Haeftlinge entschieden?!

    "Paramilitaers": Wiederum im Vergleich zu Deutschland: Die Paramilitaers wirkten auch und vor allem nach innen. Damit wurde interner Druck ausgeuebt und es wurde das ganze Volk auf Krieg eingestellt/ vorbereitet. Das liegt bei den Soeldnertruppen nicht vor.

    Gehoert Abu Ghraib nicht den Briten? Oder sind die schon "eingemeindet"?

    "besonderer Fokus auf zivilen Widerstand": Die Beispiele sagen mir nicht viel, muss ich zugeben. Aber auch hier scheint mir das Merkmal ungenau. Ist dieser Fokus im Faschismus nicht gepaart mit einem Alleinvertretungsanspruch und alleinigem Wahrheitsanspruch einer politischen Macht? Wo ueberschreitet die US-Regierung in dieser Hinsicht die Grenzen des demokratisch zulaessigen?

    "Medienkontrolle": Auch hier gehen die historischen Faschismusmodelle weit ueber das hinaus,was die USA betreiben. Die Medien sind ja wohl nicht verstaatlicht und gezwungen, die Regierungsmeinungen zu vertreten.

    "Notstands-/ Kriegsrecht": Darf ich nur kurz hervorheben, dass die Gesetze anscheinend NICHT in Kraft sind!?! Da fehlt dann doch der letzte Schritt zum "Faschismus" (selbst wenn man die hier genannten Merkmale annimmt).

    Fazit: Die Merkmale scheinen mir zweifelhaft und ungenau. Und auch die Anwendung auf die USA ist uebersieht einige Details.

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  2. Danke für die konstruktive Kritik! Ich versuche, Schritt für Schritt auf jeden der genannten Punkte einzugehen.
    1. Es stimmt, dass diese 10 Punkte primär Merkmale für Totalitarismus darstellen und sich nicht nur auf vor-faschistische Staaten beschränken. Die meisten dieser aufgeführten Punkte kann man auch bei der Etablierung der Stalin-Diktatur wiederfinden, sei es nun der Überwachungsapparat, die Kontrolle der Medien, willkürliche Verhaftungen und Schauprozesse, das Ausschalten von Schlüsselpositionen, die sich nicht der Macht beugen und deren Stigmatisierung als konterrevolutionäre Verräter.
    2. Faschismus bedeutet nicht zwangsläufig, dass man überall nur nach der deutschen Variante suchen muss. Italien und Chile wurden auch als faschistisch bezeichnet, und in Chile ging es weniger um die Unterdrückung einer vermeintlich minderwertigen Rasse, sondern um die Beseitigung des demokratischen Widerstandes, egal, ob er aus christlicher, sozialistischer oder gewerkschaftlicher Ecke kam.
    Im Falle Italiens muss ich leider Mussolini zitieren: „Faschismus sollte man besser Korporatismus nennen, weil es die Verschmelzung der Staatsmacht mit der Konzernmacht darstellt.“ Wie weit der Westen insgesamt diesen Pfad bereits beschritten hat, muss jeder selbst aus eigener Erfahrung beurteilen.
    3. Mit einem ‚außergesetzlichen Rechtssystem‘ meine ich Gesetze, die gegen die Verfassung (Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, Recht auf Konsultation eines Anwalts) und / oder gegen international gültige Menschenrechte („feindliche Kämpfer“, „Waterboarding“) verstoßen.
    4. Die Verwendung demokratischer Strukturen ist kein Garant für eine echte Demokratie. Die USA sind nur noch eine demokratische Fassade, und das Volk hat alle 4 Jahre die Wahl, ob es lieber die eine oder die andere Maske wählt, hinter der leider immer die selbe Kriegs- und Manipulationsmaschinerie steckt. In dieser Situation fällt eine demokratische Kontrolle aus.
    5. Der Supreme Court besteht aus Richtern, die lebenslang ernannt werden. Bush hat seine Regierungszeit dafür genutzt, freiwerdende Richterposten mit strammen Republikanern zu besetzen, so dass dort selbst nach der Abwahl der republikanischen Administration noch auf lange Zeit im Supreme Court eine Schieflage vorherrschen dürfte. Dass dieses Gericht zugunsten der Guantanamo-Häftlinge entschieden hat, ist zwar lobenswert, aber hinsichtlich der Gesamtverbrechen der US-Regierung nur ein medienwirksames Feigenblatt.
    6. Spätestens wenn Firmen wie „Blackwater“ auch innerhalb der USA im rechtsfreien Raum agieren können, sind die USA einen bedeutenden Schritt näher an den Faschismus herangerückt. Ich behaupte nicht, dass alle Merkmale schon erfüllt sind, aber es gilt – wie auch beim Notstandsrecht, wachsam zu sein.
    7. Abu Ghraib wird von den USA betrieben. Wem dieses Gefängnis „gehört“, kann ich nicht genau sagen, werde es aber nachprüfen. Ob die Briten schon „eingemeindet“ sind, ist schwer zu sagen, aber das Vereinte Königreich und die Vereinigten Staaten verfolgen gleiche Interessen gemeinsam. Hier lohnt sich übrigens ein Blick auf die im indischen Ozean liegende paradiesische Insel „Diego Garcia“, die zu Großbritannien gehört, auf der aber ein US-amerikanischer Militärstützpunkt betrieben wird (nachdem London alle Einheimischen deportiert hatte und ihnen bis heute die Rückkehr verweigert).
    8. Sicher, die Medien in den USA sind nicht verstaatlicht. Aber das müssen sie auch nicht sein. In Deutschland hat z.B. der Verleger Hugenberg im Sinne der Nationalsozialisten Desinformation, Hetzkampagnen und andere Beeinflussungen der Meinungsbildung schreiben lassen. Zensur muss nicht immer staatlich sein. Ein staatliches Zensurverbot kann sehr leicht von privaten Medienkonzernen unterlaufen werden, vor allem, wenn sie über hinreichende Marktmacht verfügen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen der USA, PBS, ist nicht zu vergleichen mit dem in Deutschland. Es lebt ein Schattendasein mit geringen Einschaltquoten. Würde man es mit Deutschland veranschaulichen wollen, so wäre es, als ob man nur RTL, Sat.1 und deren Nebensender hätte und als einzigen öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix. Und nun stelle man sich vor, dass Verteidigungsminister Jung Ex-Bundeswehrgeneräle beauftragt, für das Verteidigungsministerium Kriegspropaganda zu veranstalten, indem diese als neutrale und scheinbar unabhängige Sachverständige in Talkshows oder zu Interviews in Nachrichtensendungen geschickt werden. Das ist kürzlich in den USA aufgeflogen. Natürlich: die Medien sind nicht gezwungen, die Regierungsmeinung wiederzugeben, und im Falle von sozialen Belangen werden sie dies auch nicht tun. Wenn man sieht, wer hinter den Medien steckt, dann erkennt man, dass die Medien im Besitz von den großen Industrie- und Rüstungskonzernen sind. So kann man doppelt verdienen: Einerseits durch die Produktion von Kriegswaffen und andererseits durch die Einschaltquoten im dazugehörigen TV. Der Irakkriegseintritt wurde mit den großen US-TV-Networks zeitlich abgestimmt, um in der Primetime den Zuschauern ein Spektakel bieten zu können. Von solchen pervertierten Medien ist kaum eine neutrale Berichterstattung zu erwarten.
    Die eigentliche Intention meines Artikels war, den Lesern zu verdeutlichen, dass Faschismus oder Totalitarismus meist nicht von heute auf morgen plötzlich da ist, sondern dass es mehrerer Schocks bedarf, um ein Volk in ein solches System zu treiben. Je früher man dem entgegentritt, desto höher sind die Chancen, das Schlimmste zu verhindern.

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