Sparen, sparen, sparen, den Gürtel enger schnallen und nicht über die eigenen Verhältnisse leben. Nur so kann man die Staatsschulden verringern, die unsere Zukunft belasten.
Das ist die zusammengefaßte "Weisheit" der Bundesregierung, und ihr ist die deutsche Schuldenbremse entsprungen und auch der Sparkurs der EU-Länder in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise. Bundesregierung, setzen, sechs! Das hätte vor noch zwei bis drei Jahrzehnten jeder Volkswirtschaftsfachmann der Bundesregierung gesagt. Das war vor dem neoliberalen Gleichschaltungsdogma.
Denn was bedeutet „Sparen, sparen, sparen“ für den Bürger dieses Landes? Eine Senkung der Sozialleistungen, eine Steigerung der Kosten bei Krankheit, eine Verschlechterung der Straßen und Schienen, geringere Renten und ein späterer Renteneintritt, höhere Gebühren etc..
Durch einen solchen Sparkurs zerstört die Bundesregierung Schritt für Schritt die ohnehin schon einmalig schwache Binnennachfrage Deutschlands, denn wenn die Menschen immer weniger zur Verfügung haben, können sie nicht mehr kaufen. Wird weniger gekauft, muß weniger produziert werden. Wird weniger produziert, braucht es weniger Arbeiter und Angestellte. Mit anderen Worten: ein solcher Sparkurs entzieht der Bevölkerung Kaufkraft und erhöht die reale Arbeitslosigkeit. Die Steuereinnahmen werden so stark einbrechen, daß der Sparkurs die Verschuldung nicht verringert, sondern erhöht - denn von welcher Wirtschaftskraft sollen dann die Schulden zurückgezahlt werden? Durch einen deflatorischen Sparkurs der Ausgabenkürzungen erhöht sich der prozentuale Anteil der Staatsschulden bei einer schrumpfenden Wirtschaft. Während bei einer Inflation die Staatsschulden entwertet werden, steigen sie in einer Deflation. Als Deutschland das letzte Mal massive Ausgabenkürzungen vornahm, führte dies erst in eine Deflation, dann in die faschistische Diktatur und schließlich in den zweiten Weltkrieg. Um eine solche Entwicklung schon im Ansatz zu bekämpfen, müssen die Ausgabenkürzungen als das aufgezeigt werden, was sie sind: kontraproduktiv und wirtschaftspolitischer Wahnsinn.
Die von Merkel oft zitierte Logik der schwäbischen Hausfrau ist eine betriebswirtschaftliche, aber keine volkswirtschaftliche Logik.
Sparen kann sinnvoll sein bei einem einzelnen Unternehmen, aber wenn eine Volkswirtschaft insgesamt spart, dann spart sie sich in eine Rezession – oder noch schlimmer: in eine Deflation. Genau dies ist der Kurs von Merkel und insbesondere auch der CDU-regierten Bundesländer (z.B. Hessen).
Wenn jetzt Merkel über die Einschaltung des Internationalen Währungsfonds (IWF) Griechenland zum Sparkurs zwingt, dann bedeutet das, daß Griechenlands Wirtschaft in einer fragilen Lage noch weiter beschädigt wird, daß das Volk dort weiter verarmt und dadurch auch weniger Produkte aus Deutschland kaufen kann. Von den Hilfsgeldern für Griechenland sieht die dortige Bevölkerung keinen Cent, denn damit werden griechische Schulden bei deutschen und französischen Banken bedient und Rüstungsgüter in Deutschland bestellt - das Geld fließt postwendend zurück, und es hat eine Umverteilung von Bürgern zu Banken stattgefunden.
Jetzt, wo dieser Kurs in ganz Europa (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Rumänien, Großbritannien etc.) praktiziert wird, ist es absehbar, daß die gesamteuropäische Binnennachfrage einbricht – zusätzlich zur bestehenden Krise! Die steigende Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren wird genau darauf zurückzuführen sein. Merkel hat nichts, aber auch gar nichts gelernt aus den Fehlern, die sich Deutschland in den Jahren vor Hitlers Amtsantritt geleistet hatte: die Wirtschaft und die Menschen in den Ruin zu sparen, anstatt die Realwirtschaft zu beleben und die Steuern und Abgaben für die Mittel- und Unterschicht zu senken und die der Oberschicht zu erhöhen. Nur so wird eine stabile, langanhaltende und wachsende Binnennachfrage geschaffen. Diese Option, deren Erfolg jedes Jahr erneut von den skandinavischen Staaten seit Jahrzehnten bewiesen wird, ist jedoch in Deutschland aufgrund der Kapitalhörigkeit der Regierung offenbar nicht möglich. Denn auch wenn eine höhere Binnennachfrage und ein gesunder Staat Millionen Menschen nützen würde, so nützt er doch nicht den Millionären, und nur deren Interessen werden in diesem Land bedient.
Ein weiterer Aspekt, der von den Mainstreammedien und unserer Regierung nicht berücksichtigt wird, ist die Frage nach den Guthaben, die den Staatsschulden gegenüberstehen. Denn wenn die Staatsschulden zurückgezahlt werden, wird jemandem sein oder ihr Guthaben ausgezahlt – mit satten Zinsen. Somit erben unsere Enkel nicht nur unsere Staatsschulden, sondern auch die Guthaben, die ihnen gegenüberstehen. Warum besteuert man nicht diejenigen, die es sich jetzt leisten können, dem Staat Geld zu leihen? Stattdessen wurden im letzten Jahrzehnt genau den Leuten, die ohnehin schon im Reichtum schwimmen, die Steuern gesenkt. Der Staat hat sich völlig unnötig selbst arm gemacht. Wenn wir durch ein Schlagloch fahren, fahren wir durch eins der vielen Steuergeschenke für die Reichen. Wenn wir Praxisgebühren entrichten und steigende Krankenkassenbeiträge zahlen müssen, dann zahlen wir dafür, daß sich Wohlhabende durch eine Deckungsgrenze sehr viel ärmer rechnen können und sich damit aus der gesamtstaatlichen Solidarität davonstehlen (Z.B. zahlt jemand mit 110000 € Jahresgehalt genausoviel in die Sozialkassen ein wie jemand mit 36500 € jährlichem Einkommen - Gerechtigkeit sieht anders aus!).
Der Staatshaushalt kann nur durch die Erhöhung der Einnahmen, nicht durch eine Kürzung der Sozialausgaben saniert werden. Warum keine Börsenumsatzsteuer wie in London, eine Finanztransaktionssteuer von einem Prozent, zusätzlich eine hohe Abgabe auf Bankengewinne und Boni, eine erhöhte Steuer bei großen Erbschaften, eine Vermögenssteuer und höhere Spitzensteuersätze einführen bzw. wieder einführen? Warum nicht die Krankenkasse und den Rentenhaushalt sanieren durch eine Aufhebung der Deckungsgrenze, die derzeit dazu führt, daß, je reicher jemand ist, prozentual immer weniger von seinem Einkommen an die Kranken- und Rentenkasse abgeführt werden muß (diese Art von umgekehrtem Sozialstaat gibt es nur in Deutschland)? Es gibt mehr als genug durchdachte und praktikable Möglichkeiten, diejenigen, welche die Krise verursacht haben, alleine dafür zahlen zu lassen. Es ist völlig unverständlich, warum die politische Kaste mit einer schier grenzenlosen und völlig unhinterfragten Selbstverständlichkeit zuerst daran denkt, das Volk zu belasten, bevor alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn immer seitens der Regierung das Wort "alternativlos" bei geplanten Belastungen des Volkes fällt, dann ist es - ebenfalls immer - eine leicht widerlegbare Lüge. Nicht nur eine andere Welt ist möglich, wie es der Slogan von attac ausdrückt, sondern viele andere Welten sind möglich. Die einzigen Grenzen sind die menschliche Vorstellungs- und Willenskraft.
Alles in allem ist es einfach peinlich als Deutscher gegenüber dem europäischen und internationalen Ausland (selbst die konservative Finanzministerin Frankreichs, der US-Finanzminister, ein Großteil der EU-Staaten und viele Wirtschaftsnobelpreisträger empfehlen inzwischen Merkel die dringende Steigerung der deutschen Binnennachfrage, um die enormen Handelsungleichgewichte abzubauen), wie sich Deutschland mit seinem Irrweg auch noch international die Blöße gibt und anderen Staaten seinen Spar- und Irrweg aufzwingt. Es ist Zeit, diesen Irrweg zu beenden und uns in einer Situation, wo wir nicht mehr darauf vertrauen können, daß unsere Exporte weiter wie bisher abgenommen werden, stärker auf den Ausbau der Binnennachfrage konzentrieren sollten - und damit der Anhebung der Einkommen der meisten Menschen in diesem Land.